Prof. Dr. Hans A. Wüthrich


Berlin,  den  09.11.2007 

 

Wolfgang Winter 

Mitglied des Vorstandes der (Deutschen) Gesellschaft für Kybernetik 

 sowie der Jury zur Vergabe des Heinz von Foerster-Preises 2007  

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Hans   Wüthrich,   das   werden   Sie   nachher   gleich   hören,   kommt   aus   der   Schweiz.   Herr 

Wüthrich  lebt  in  Rheinfelden,  ist  verheiratet  und  Vater  von  drei,  mittlerweile  erwachsenen 

Söhnen.   Und   wer   die   Jungs   kennt,   merkt   rasch,   dass   schon   daheim   in   Haushalt   und   

Erziehung  kybernetische  Steuerung  und  Regelung  ein  spannendes  Thema  und  sehr  nützlich 

sein kann. Hans  Wüthrich  ist  Jg.  1956,  er  macht  1976  Abitur  in  Basel  und  wechselt  zum  Studium  derBetriebswirtschaft  nach  St.  Gallen.  Bereits  mit  seinem  akademischen  Werdegang  in  St.  Gallen  mit  Studium  bis  1981,  Promotion 1982-1984   und   berufsbegleitend   Habilitation   1986-1989   war   sein   weiterer   Weg   in   Wissenschaft und Beratung kybernetisch vorgeprägt.  

1993  erhält  Hans  Wüthrich  den  Ruf  auf  den  Lehrstuhl  für  Internationales  Management  an 

der Universität der Bundeswehr. (1996/1997    dient    Hans    Wüthrich    der    dortigen    Fakultät    für    Wirtschafts-    und Organisationswissenschaften  als  Dekan.  Konsequent  pflegt  er  besonders  in  diesen  Jahren  auch    die    internationalen    Beziehungen    zu    den    USA,    als    Akademischer    Leiter    des 

internationalen  Studentenaustauschprogrammes  der  Bundeswehruniversität  mit  dem  College 

of Business der Arizona State University, Phoenix.) 

 

Von  der  Privatuniversität  Witten/Herdecke  erhält  Hans  Wüthrich  im  Jahr  2002  einen  Ruf  auf 

einen  Lehrstuhl  inkl.  Übernahme  des  Dekanates  der  Fakultät  für  Wirtschaftswissenschaften.  

Wohl  nicht  von  ungefähr,  denn  auch  und  gerade  in  Witten/Herdecke  steht  bekanntermaßen 

die   Auseinandersetzung   mit   der   Foersterschen   Kybernetik   in   langer   und   prominenter 

Tradition.  Doch  seine  Entscheidung  lautet  München  und  Wolfsburg  statt  Witten.  Hans  Wüthrich  bleibt der   Universität   der   Bundeswehr   treu   und   engagiert   sich   zusätzlich   von   2003-2006   als   

Gründungsdekan  der  School  of  Economics  and  Business  Administration  der  Volkswagen 

AutoUni, Wolfsburg. In St. Gallen und Hildesheim wirkt Hans Wüthrich als Lehrbeauftragter 

 

Ausgehend   natürlich   zunächst   vom   St.   Galler   Systemansatz   und   zugrundeliegenden 

kybernetischen  Modellvorstellungen  konnte  Hans  Wüthrich  in  den  letzten  mehr  als  20  Jahren  

auch  als  Berater  namhafter  Unternehmen  in  Deutschland,  Österreich  und  der  Schweiz  auf 

Top-Management-Ebene   seine   Vorstellungen   von   Kybernetik   konsequent   einbringen   und 

weiterentwickeln.  

 

Bereits  seit  1984  ist  Hans  Wüthrich  als  Unternehmensberater  tätig.  Zunächst  bei  der  ATAG 

Ernst   &   Young,   wo   er   beim   Aufbau   der   auf   Strategieberatung   fokussierten   Tochter-   

gesellschaft Implementa AG mitwirkt.  
Im Juni  1988  gründet  Hans  Wüthrich  die  Management  Consulting  Firma  B&RSW  AG  in  Zürich, 

mit  dem  Tätigkeitsschwerpunkt  «Strategische  Unternehmensentwicklung».  In  den  letzten  20 

Jahren  profilierte  sich  Hans  Wüthrich  als  Berater  und  hoch  geschätzter  Gesprächspartner  auf  

Geschäftsleitungsebene vor allem zu Themen wie 

Leadershipdevelopment, Integrationsmanagement, Kulturbewusstes Management, Flexiblilisierung und Dynamisierung von Organisationen: Programme  und  Organizational  Learningkonzepte, Strategisches Management.

 

Bei  diesem  reichen  Schatz  an  jahrzehntelang  gewachsener  Fachkompetenz  und  der  Fülle  an 

praktischer  Erfahrung  ist  es  verständlich,  dass  Hans  Wüthrich  über  die  Zeit  eine  Vielfalt  an 

Aufsichts-  und  Beiratsmandaten  angetragen  wurden.  Die  Liste  ist  zu  lang,  deshalb  hieraus 

nur als Beispiel. Hans Wüthrich war mehrere Jahre Mitglied im Marketingbeirat Volkswagen AG 

 

Gegenwärtig ist Hans Wüthrich ferner bspw. aktiv als Advisory Board GSBA Graduate School of Business Administration Zürich, VR-Akademie International Business School ZfU Zürich, Herausgeberbeirat der Zeitschrift für Führung und Organisation zfo 

  

Mehr  noch  hat  Hans  Wüthrich  dabei  das  kybernetische  Verständnis  in  der  Betriebswirtschaft 

stetig  weiterentwickelt  und  die  Foersterschen  Überlegungen  zur  Kybernetik  zweiter  Ordnung 

über    St.    Gallen    hinaus    in    die    BWL    integriert    und    für    seine    Beratungs-    und 

Publikationstätigkeit  fruchtbar  gemacht.  

 

Das  Institut  für  Internationales  Management  an  der  Universität  der  Bundeswehr  München, 

dem  Hans  Wüthrich  wie  erwähnt  als  Lehrstuhlinhaber  seit  1993  vorsteht,  hat  sich  dabei  

unter   seiner   Führung   kontinuierlich   zu   einem   kybernetischen     think   tank     entwickelt. 

Fokussiert  auf  die  Frage,  wie  sich  die  Foerstersche  Kybernetik,  der  ihr  verwandte  radikale 

Konstruktivismus   und   die   darauf   aufbauende   neuere   soziologische   (=Luhmannsche)   

Systemtheorie  in  Unternehmensführung  und  -beratung  in  praxisnaher  und  verständlicher 

Weise  einsetzen  lassen.  

 

Und  dabei  weiß  er  eines  ganz  genau:  Der  Unterschied  zwischen  Theorie  und  Praxis  ist  in  der 

Theorie  immer  kleiner  als  in  der  Praxis.  Das  gilt  in  besonderem  Maße  für  unsere  Kybernetik,  

unsere Kybernetik zweiter Ordnung. 

 

Wer bitte ist Heinz von Foerster?   

 

Aus   meiner   eigenen   Erfahrung   im   Umgang   mit   Managern   und   Unternehmern   bin   ich 

überzeugt,  dass  Hans  Wüthrich  diese  Frage  in  den  Chefetagen  schon  oft  gehört  hat  und  sich  

noch  öfter  wünscht,  es  würde  sich  auch    da  draußen    langsam  herumsprechen.  Auch  das 

zählt  zum  Unterschied  zwischen  Theorie  und  Praxis,  wenn  man  wie  Hans  Wüthrich  über  

Kybernetik sprechen möchte. Ein  Unterschied,  der  in  Theorie  und  Praxis  gleichermaßen  präsent  ist  und  für  Diskussionen sorgt,  ist  der  zwischen  Management  und  Organisation.  Diese  Leitunterscheidung  dient  zum einen  der  Lokalisierung  von  Oben  und  Unten  in  einem  System  zum  Zweck  der  Diskussionum Macht  und  Mikropolitik.  Wer  Hans  Wüthrich  kennt,  weiß,  dass  das  zunächst  mal  gar  nicht  

sein  Terrain  ist.  Macht  ist  ihm  vorrangig  suspekt,  in  einer  Art,  wie  ich  sie  auch  immer  bei 

Heinz von Foerster herausgelesen habe.  

 

Zum  anderen  aber  besorgt  die  Unterscheidung  zwischen  Management  und  Organisation  die 

Rollenverteilung,  die  sich  aus  der  altbekannten  Polarisierung  ergibt,  man  sei  entweder  Teil 

des  Problems  oder  Teil  der  Lösung:  in  Betriebswirtschaftslehre  und  Beratung  gleichermaßen 

wurde    mit    zunehmender    Komplexität    Organisation    zum    Problem,    Management    zur 

designierten Lösung erklärt. 

 

Die  Wiedereinführung  des  Beobachters  in  seine  Beobachtung  und  Beschreibung  ist  glaube 

ich  für  uns  alle  eine  der  zentralen  Leistungen  Heinz  von  Foersters.  Für  Hans  Wüthrich 

bedeutet  dies  die  Wiedereinführung  des  Managements  in  das  Problem  der  Organisation. 

Genauer  gesagt,  Management  nicht  länger  reflexhaft  als  Lösung  von  Organisationsproblemen 

zu  pflegen,  sondern  wiederzuerkennen  als  das  was  es  ist.  Teil  sowohl  des  Problems  als  auch 

der Lösung. Denn  Management  wird  zunehmend  selbst  zum  Problem,  zum  Problem  für  die  Organisation. Nicht  wenige  Organisationen  funktionieren  nicht  aufgrund,  sondern  trotz  ihres  Managements. 

Der   Kampf   der   Organisation   gegen   das   Management   ist   nicht   einfach   der   Aufstand 

störrischer, unmündiger Kinder, die es nicht besser wissen. 

Genau  daran  erinnert  Hans  Wüthrich  immer  wieder  mit  seiner  Arbeit.  Wenn  wir  uns  daran 

erinnern,  dass  Kybernetik  erster  Ordnung  die  Beobachtung  von  beobachteten  Systemen  und  

Kybernetik  zweiter  Ordnung  die  von  beobachtenden  Systemen  meint,  ganz  so  wie  Heinz 

diese   Unterscheidung   vorgenommen   hat,   zeigt   sich   die   Präferenz   von   Hans   Wüthrich   

unmittelbar:  er  ist  nicht  so  sehr,  wie  klassische  Berater,  an  Themen  i.S.  von  Objekten 

interessiert,     wie     Geschäftsstrategien,     Reorganisationen,     Effizienzsteigerungs-     oder 

Sanierungsp

 

Hans Wüthrich arbeitet  an,  mit  und  für  Menschen,  bevorzugt  mit  denen,  die  die  o.g.  Macht  in  Händen 

halten,  gerade  weil  diese  Macht  ihm  im  Zweifel  suspekt  ist.  Dabei  geht  Hans  Wüthrich  dort 

hin  wo  es  wehtut,  den  betroffenen  Entscheidern,  bisweilen  aber  auch  ihm  selbst.  z.B.  wenn 

er  bei  seinen  Gesprächspartnern  auf  oberster  Ebene  die  Bescheidenheit  vermisst,  die  ihn  

selbst  so  auszeichnet,  und  er  mit  der  Arroganz  der  Macht  konfrontiert  ist,  die  ihm  selbst  so 

fremd ist. 

                                                                         

Act  always  as  to  increase  the  number  of  choices  .  Foersters  ethischer  Imperativ  ist  dabei 

eine  wichtige  Botschaft  von  Hans  Wüthrich,  v.a.  an  all  diejenigen,  die  wirklich  handeln  und  

etwas  bewegen  können,  weil  sie  wählen  und  entscheiden  können.  Es  gibt  vielleicht  nur 

wenige  Sätze  von  Heinz  von  Foerster,  die  missverständlicher  sind  oder  zu  mehr  Missbrauch 

einladen  wie  sein  ethischer  Imperativ.  Stets  sind  die  Wahlmöglichkeiten  aller  gemeint,  ibs.  all 

derer,  die  von  den  Entscheidungen  des  Verantwortungsträgers  abhängig  sind,  nicht  nur  die 

karriereorientierte  Selbstoptimierung,  die  Hans  Wüthrich  so  irritierend  häufig  antrifft.  Der 

Organisation  Wahlmöglichkeiten  zu  geben,  nicht  sie  ihr  zu  nehmen,  das  zeichnet  für  Hans 

Wüthrich   ein   gutes   und   wertschätzendes   Management   aus,   welches   Verantwortung   für   

selbstbestimmtes Handeln ermöglicht. 

 

Dabei  ist  er  kein  Utopist,  kein  Klassenkämpfer,  weder  jovialer  Freund  der  Bosse  noch 

ideologisch  verbissener  Anwalt  der  Geknechteten.  Und  sorgsam  achtet  er  darauf,  dass  er  in 

seiner  Position  als  beobachtender  Wissenschaftler  und  Berater  nicht  selbst  Teil  des  Problems 

von  Management  &  Organisation  wird.  Das  bedeutet  für  ihn  bisweilen  auch,  nicht  Teil  der 

Lösung  zu  sein,  es  nicht  sein  zu  müssen,  es  nicht  sein  zu  dürfen.  Stattdessen  einen  Prozess  

in  Gang  zu  setzen,  bei  dem  Management  &  Organisation  etwas  über  sich  erfahren,  was  nur 

sie selbst wissen konnten. 

 

Diese  Anstrengungen,  Theorie  und  Management-  bzw.  Beratungspraxis  zu  verbinden,  haben 

sich    in    zahlreichen    Praxisprojekten    und    Publikationen    unterschiedlichster    Couleur 

niedergeschlagen.  Besonders  erwähnen  möchte  ich  an  dieser  Stelle  das  gegenwärtig  intensiv 

diskutierte   und   besonders   bei   Unternehmern   und   Managern   mit   großem   Interesse 

aufgenommene    Buch      Musterbrecher          Führung    neu    leben      (2006),    sowie    die 

Vorgängerwerke   Stillstand im Wandel   (2002) und   Die   Rückkehr des Hofnarren   (2001). 

 

Auf  einen  Satz  verdichtet  lautet  die  Haltung,  und  die  Hauptbotschaft  von  Hans  Wüthrich:    Es 

beginnt   bei   mir.   Das   glaube   ich   ist   einen   Preis   wert   und   wir   sind   so   vermessen   zu   

unterstellen,  dass  auch  Heinz  von  Foerster  an  der  Entscheidung  der  Jury  seine  Freude 

gehabt hätte. 

So  darf  ich  denn  nun  im  Namen  der  Jury  den  diesjährigen  Heinz  von  Foerster-Preis  für 

Organisationskybernetik  Herrn  Prof.  Dr.  Hans  A.  Wüthrich  übergeben  und  ihm  danken  für 

seinen   unermüdlichen   Einsatz,   Foerstersche   Kybernetik   auch   und   ganz   besonders   im 

Managementalltag lebendig und fruchtbar werden zu lassen.  

 

Wolfgang Winter

 

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